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Liv-Marie erzählt: "13h während Corona"

Liv-Marie erzählt: "13h während Corona"

Wie ich einen Vortrag halte, wenn das Wlan nicht funktioniert und das Telefon klingelt...

21:00 Ich liege auf dem Sofa. Meine Eltern sind im Urlaub und ich habe das Haus gekapert. Morgen muss ich einen Vortrag halten. In Corona Zeiten heißt das: Präsentation bei Big Blue Button hochladen, dann Webcam an, Mikro an und los. Präsentation ist fertig, Notizen fertig – alles gut.

21:30 Instagram lädt nicht mehr. Ich blicke von meinem Handy auf. Netflix auf dem Fernseher läuft noch. Ich öffne Youtube. Nichts lädt. Irgendwas stimmt mit dem Wlan nicht. Langsam werde ich unruhig. Keine App, die Wlan braucht, läuft noch. Wie soll das morgen mit dem Vortrag gehen? Ich mache das Wlan auf dem Handy aus und wieder an. Vielleicht liegt es ja daran. „Verbunden, aber kein Internetzugang“. Das kann ich jetzt nicht wirklich gebrauchen. Gut, erst mal abwarten, das gibt sich bestimmt gleich wieder.

22:00 Ich schaue unentspannt Netflix. Internet gibt es also, was ist das jetzt mit dem Wlan. Vielleicht liegt ja alles nur am Handy. Ich hole meinen Laptop. „Verbunden, aber kein Internetzugang“. Oh nein, nein, nein, nein. Ich schreib einer Freundin, die morgen auch ihren Vortrag hält. Sie fragt mich nach einem Plan B, falls das mit dem Wlan morgen immer noch nicht klappt. Plan B. Was ist mein Plan B? Was könnte ich machen? Mobile Daten auf dem Handy, darüber könnte ich an der ganzen Sache teilnehmen, aber mit Präsentation hat sich’s dann. Was ginge sonst? Über den Fernseher. Darüber komme ich ja ins Internet, aber was ist mit Webcam und Mikro? Das kann ich mir dann ja gleich sparen.

22:30 Ich bin endgültig nicht mehr entspannt. Warum habe ich mir ‘nen Laptop ohne Lan-Anschluss gekauft. Ich könnte noch zu Oma fahren morgen früh. Da wäre ein PC mit Lan-Anschluss. Na das wird ja entspannt, jetzt kann ich ja nicht mehr anrufen.

23:00 Ich schalte den Router ein und wieder aus. Das bringt auch nichts. Ich ziehe meine Präsentation schon mal auf einen Stick und überlege, ab wann ich bei Oma anrufen kann. Die Vorlesung fängt um 8 an. Plus die Zeit, die ich fahren muss. Dann also um 7 anrufen. Aufstehen also noch davor.

23:30 Ich starte den Router erneut. Schreibe der Freundin per Whatsapp, wie mein Plan B aussieht und bitte sie, beim Prof Bescheid zu geben, wenn das morgen alles nicht läuft, dass ich ihm anschließend meine Präsentation zuschicken werde.

0:00 Ich versuche einzuschlafen. Klappt mäßig.

6:30 Ich bin müde, ich will heute keinen Vortrag halten.

7:00 Mist, ich muss eingeschlafen sein. Dabei wollte ich doch jetzt bei Oma anrufen. Erstmal das Wlan überprüfen. Handy sagt, es hat Signal. Danke! Nirgendwo anrufen, nirgendwo hinfahren, das ist bestimmt ein gutes Zeichen.

8:00 Veranstaltung bei BBB beginnt. Ich sitze im Arbeitszimmer meines Vaters direkt neben dem Router, kein Risiko eingehen. Beim Prof ist der Ton nicht an und das Bild ruckelt, mit der Zeit wird es stabiler, scheint alles zu klappen.

8:30 Drei Präsentationen später: Tonqualität der Teilnehmer variiert von Gamer bis zu zehn Jahre altem Headset und schaltet mal lauter und mal leiser. Hoffentlich ist mein Ton akzeptabel.

8:55 Meine Präsentation ist hochgeladen. Noch ca. 5 Minuten dann kann ich anfangen.

9:05 Ich will anfangen. Webcam ist an, Mikro ist an. „Guten Morgen auch von …“ –Ring, Ring- Das Telefon klingelt. Wieso klingelt das?! Meine Eltern sind im Urlaub, wer kann denn hier jetzt anrufen? Und warum, warum jetzt? Webcam aus, mein Kopf glüht, Puls auf garantiert viel zu hoch. Das Telefon hört nicht auf zu klingeln. Jetzt nur nicht vor versammelter Mannschaft fluchen. Auf rot drücken, auf rot, auf rot, auf rot. Auflegen, bitte. Wieso hört das nicht auf zu klingeln? Wenn es nicht aufhört, muss es weg. Wohin? Schublade – nein. Dann also weg damit. Ich laufe mit dem Telefon in die Küche und mach alle Türen zwischen mir und dem Telefon zu. Die Webcam bleibt aus. Ich entschuldige mich einmal, was nicht so würdevoll klingt, wie es sollte, da die Station des Telefons weiter klingelt.

9:13 Meinen 10 Minuten Vortrag habe ich in 5 Minuten gequetscht, immerhin keine Zeitverzögerung durch das ganze Desaster. Die Hälfte all dessen, was ich sagen wollte, habe ich bestimmt nicht gesagt. Mein Gesicht glüht immer noch. Im Chat der Veranstaltung sehe ich die Lachemojis meiner Freunde und Nachrichten, dass sie das Ganze feiern. Will gerade antworten, da sehe ich eine Nachricht meines Profs. Jetzt wird man nicht mehr vor allen ausgefragt, sondern per Chat. Ist mir schon irgendwie lieber. 3 Nachrichten später bin ich fertig, auf allen Ebenen.

9:30 Ich sitze mit einem Bier auf der Terrasse. Das war viel für einen Morgen, aber ich hab’s hinter mir.

Nach einer wahren Geschichte.

Liv-Marie Holdt